Die Friedensethik darf an den Herausforderungen nicht vorbeigehen
Die Friedensethik darf an den Herausforderungen nicht vorbeigehen
- Datum:
- Ort:
- Berlin
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Vor einem Jahr überfielen russische Truppen die Ukraine. Anlässlich dieses Datums veröffentlicht die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr einen Debattenbeitrag zur Friedensethik.
Seit einem Jahr dominiert Gewalt unsere Wahrnehmung der internationalen Politik. Der russische Angriffskrieg hat unzähligen Menschen in der Ukraine, aber auch in Russland selbst, Tod und Leid gebracht. Eine Aggression, die vielen unvorstellbar war, hat den Traum vom positiven Ende der Geschichte platzen lassen. Es gibt ihn nicht, den Himmel auf Erden – auch nicht in Europa.
Die westliche Staatengemeinschaft musste auf die russische Aggression reagieren und hat reagiert. Dazu hat auch die Hartnäckigkeit beigetragen, mit der die Ukraine um Unterstützung geworben hat. Wir können immer noch nicht absehen, wann und wie dieser Krieg enden wird. Jetzt sind Solidarität und die Bereitschaft gefragt, denen, die das Recht auf Selbstverteidigung und Nothilfe in Anspruch nehmen, beizustehen. Die Ereignisse der vergangenen zwölf Monate belegen auch, dass es möglich ist, sich gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner zur Wehr zu setzen. Sie zeigen, welche Kräfte der Wunsch nach Freiheit entfaltet.
Wenn wir am Ziel eines gerechten Friedens festhalten, müssen wir Antworten auf eine Situation finden, in der die Konfliktprävention gescheitert ist und gewaltfreie Mittel der Konfliktbearbeitung wenig erfolgversprechend sind. Die Spannung zwischen der Zielperspektive des Friedens und der gegenwärtigen Lebenswirklichkeit ist auszuhalten.
Als Christ und Verantwortlicher der Kirche muss ich mir eingestehen, dass die Gemeinschaft der Kirche es nicht geschafft hat, ein Vorbild für Verständigung und Friedensbereitschaft zu sein. Die Russisch-Orthodoxe Kirche nimmt in diesem Krieg eine besonders unheilvolle Rolle ein. Das beschämt mich.
Frieden muss gewahrt werden, wo er durch Gewalt, Not und Unfreiheit bedroht ist. Er muss gefördert werden, weil er sich nicht von selbst einstellt. Frieden muss erneuert werden, wo er verloren gegangen ist. Das Friedenswort Gottes trifft auf eine Welt voller Gewalt. Es bedarf politischer Institutionen, die diese Gewalt begrenzen. Dazu gehört die Bundeswehr. Sie leistet ihren Beitrag, ein Leben in Frieden zu ermöglichen, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, in dem Menschen – vor Gewalt geschützt – in Freiheit und Rechtssicherheit leben können.
Die Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Bundeswehr haben die Aufgabe, denen beizustehen, die bereit sind, unser Leben zu schützen. Die Militärseelsorge begleitet Soldatinnen und Soldaten, deren Familien sich um sie sorgen. Sie steht auch denen bei, die seit einem Jahr ihren Beruf und dessen Risiken anders erleben.
Sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich der Aufgabe gestellt, einen Debattenbeitrag zur Friedensethik der Evangelischen Kirche zu leisten. Dieser Text ist jetzt in der Reihe der Schriften der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr erschienen. Die Autoren geben den Stand der bisherigen Überlegungen wieder. Darüber hinaus stellen sie zusammen, welche Schlüsse in der aktuellen Situation daraus gezogen werden müssen.
Ich bitte Gott um Frieden für die Ukraine und ich bete für die Bundeswehrangehörigen, die sich den neuen Realitäten der Landes- und Bündnisverteidigung stellen.
Berlin, 21. Februar 2023
Dr. Bernhard Felmberg
Bischof für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr